Diamanten-Eddie - Roman by Frankfurter Verlags-Anstalt

Diamanten-Eddie - Roman by Frankfurter Verlags-Anstalt

Autor:Frankfurter Verlags-Anstalt [Kray, Sabine]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-07-15T00:00:00+00:00


Juli 1944, kurz vor Minden

Am Ende des Waldes gelangten sie auf einen Feldweg. Müde rollten sie durch den leichten Nebel, der über den frühmorgendlichen Feldern hing, Rehe fraßen sich neben ihnen in der Dämmerung an den jungen Pflänzchen satt und sprangen erschrocken davon, wenn der Feldweg die drei jungen Menschen auf den Fahrrädern zu dicht an ihnen vorbeiführte.

Irgendwo zwitscherte laut ein Vogel, die Luft war frisch und roch entfernt nach Zukunft. In der Ferne sahen sie ein Gehöft liegen. Sie blieben stehen. Für einen Augenblick wirkte alles wie ein schöner Traum, so leer und leicht waren ihre Köpfe vom andauernden Hunger schon geworden.

Dann entdeckten sie in der Entfernung einen Fußgänger, der auf sie zukam. »Ach du Scheiße! Was jetzt?«, flüsterte Bolesław ängstlich. »Da rüber in den Graben!«, antwortete Juliana und versuchte, die beiden hinter sich herzuziehen. Edward stemmte sich dagegen und zog sie mit einem Ruck wieder aus dem Graben heraus: »Unsinn, der hat uns längst gesehen! Das wäre jetzt wirklich auffällig«, zischte er.

»Aber was sagen wir dem, wenn er uns was fragt?«, flüsterte Juliana. Edward dachte kurz nach: »Wir sind verwandt. Eure Mutter ist meine Tante. War meine Tante. War, weil sie jetzt alle tot sind – von den Russen erschlagen! Wir sind auf dem Weg nach Westen und wollen zur Großmutter unseres Mathelehrers nach Hannover!« Juliana runzelte die Brauen: »Aber an Hannover sind wir doch schon vorbei! Und warum nicht zu unserer eigenen Großmutter?« Edward schüttelte den Kopf: »Wir haben uns halt verfahren! Komplizierte Geschichten sind glaubwürdiger. Vertrau mir!«

Der Mann kam näher, und während sie noch versuchten, möglichst deutsch auszusehen, stellten sie fest, dass es sich um einen Polen handelte. Auf dem Revers seiner Jacke prangte das Zeichen, das bis vor wenigen Tagen auch auf Edwards und Bolesławs Brust geleuchtet hatte.

Sie blieben stehen, und als er in Hörweite war, rief Edward ihn auf Polnisch an: »Guten Tag!« Der junge Mann zuckte zusammen, beschleunigte seine Schritte und maß sie im Halbdunkel der Dämmerung mit misstrauischen Blicken. »Guten Tag!«, antwortete er ebenfalls auf Polnisch und blieb einige Schritte entfernt von ihnen stehen.

Schweigend tastete er ihre Gesichter mit seinen Augen ab und kratzte dabei abwesend an einem dicken roten Mückenstich auf seiner Hand. Sein Schweigen hielt mehrere Atemzüge lang an, dann atmete er einmal tief ein und fragte: »Was macht ihr denn hier?«

Edward musterte ihn. Ein kräftiger junger Mann, braun gebrannt mit kurzen dunklen Haaren und hellen blauen Augen. Ein bedächtiger Typ. Edward überlegte einen Moment. Was blieb ihm schon übrig? »Wir brauchen Hilfe! Wir sind auf der Flucht. Unsere Fabrik wurde bombardiert und wir sind geflohen«, sagte er geradeheraus. Der junge Mann riss die Augen auf: »Wirklich? Geflohen?« Aus seiner Stimme klang Ehrfurcht, aber auch ein wenig Angst. »Wir müssen wissen …«, setzte Edward erneut an, »ob man deinem Bauern trauen kann. Wir möchten etwas zu essen kaufen, brauchen auch einen Platz zum Schlafen.«

Der Junge zögerte, besah sich erneut die abgerissenen Gestalten. Dünn und bleich vor Hunger, schwindelig vor Müdigkeit. »Der Neumann ist kein Nazi«, sagte er schließlich nachdenklich. »Nein wirklich, ein korrekter Mann ist der.



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